Hexenpost

Spiritualität - Umwelt - Gesellschaft

Wintermärchen

Die Zeit zwischen den Jahren, die Raunächte, sind eine gute Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Das wichtigste Märchen in diesen Tage ist Frau Holle. Hier zeigt sich, dass zwischen Gut und Böse getrennt wird. Die Perchta, die Gottheit der Raunächte, wird in Frau Holle dargestellt. Drei weitere Wintermärchen bietet die Hexenpost euch. Beginnen wir mit einem Märchen über die Holunderelfe.

Die Elfe im Holunderbusch  

Längst schon waren alle Holunderbeeren geerntet, die Blätter waren in ihre Heimat, die Erde, gefallen. Die Sonne stand tief und es wurde in den Nächten so kalt, dass kein Tier sich im Freien aufhalten wollte. Manchmal, wenn es Mittag wurde, gingen Spaziergänger am Holunderbusch vorbei und ihnen schien, als huschten ein Mäuschen oder ein Igel durch die Zeige. Wenn Sie näher herantraten, dann sahen sie nichts. So kam auch an einem sonnigen Mittag die kleine Isa mit ihrer Großmutter dort vorbei. Die Großmutter nickte freundlich in Richtung Holunder. „Warum tust du das, Großmutter?“ fragte Isa. „Weil es ein heiliger Baum ist, Isa. Er ist der Frau Holle geweiht. Dieser Baum schützt die Bewohner des Hauses vor allem Übel.“ Isa blickte ihre Großmutter fragend an. „Frau Holle? Das ist doch die, die es schneien lässt, oder?“ fragte die Kleine. „Ja, Frau Holle ist die Kraft, die den Guten wie den Bösen ihre Ernte zukommen lässt. Deshalb gibt es die Goldmarie und die Pechmarie.“ Isa nahm die Hand ihrer Großmutter und wollte schon weitergehen, als sie etwas durch die Zweige springen sah. „Da ist eine Maus“, rief sie aufgeregt, denn Isa liebte alle Tiere. „Nein, das kann nichts ein, ich sehe nichts“, entgegnete die Großmutter. „Du hast dich getäuscht.“ Und sie zog das Mädchen mit sich, denn alten Menschen tut es nicht gut, sich lange in der Kälte aufzuhalten, ihnen schmerzen dann die Knochen. Aber dem Kind ließ der Holunder mit dem huschenden Wesen keine Ruhe. Und wie Kinder nun einmal sind, es wollte der Sache auf den Grund gehen. Also wartete es am kommenden Abend so lange, bis es ruhig im Haus war und schlich dann zum Baum der Frau Holle. Obwohl Isa sich extra einen dicken Schal und zwei Mützen angezogen hatte, war ihr kalt. Aber die Neugier war größer als die Sehnsucht nach dem warmen Bett und so hockte sie sich vor den Strauch und flüsterte leise: “Hallo, Mäuschen, komm heraus, ich möchte dich so gern noch einmal sehen.“ 

Nichts geschah und Isa wollte gerade den Heimweg antreten, weil ihr doch schon recht kalt geworden war, da hörte sie es rascheln. Sie staunte nicht schlecht, was da durch das Dickicht der Zeige direkt vor ihre Nase kletterte. Es war ein wunderschönes Wesen, fast durchsichtig wie Licht und doch sichtbar an seiner rot gefrorenen Nase und den spitzen, roten Ohren.

Isa bekam kein Wort heraus, so ein Geschöpf hatte sie noch nie gesehen. „Ich bin aber kein Mäuschen“, empörte sich das Wesen. „Ich bin eine Elfe“, und wie zum Beweis flatterte es ein wenig mit kleinen Flügeln auf seinem Rücken, die die Farben des Regenbogens hatten. Isa schluckte und rieb sich zuerst die Augen, bevor sie antwortete. „Liebe Elfe, guten Abend. Ich heiße Isa.“ „Sehr erfreut, Isa“, sagte die Elfe jetzt freundlicher. „Was führt dich denn mitten in der Dunkelheit hierher?“ „Ich wollte sehen, wer hier wohnt. Ich habe dich schon heute Nachmittag gesehen“, sagte das Kind wahrheitsgemäß. „Aha, also ich wohne hier.“ Aber Isa war noch nicht zufrieden. „Was treibt denn eine Elfe im Winter im Holunder?“, fragte sie. „Ich will die Hoffnung hüten“, sagte die Elfe selbstbewusst, als wenn sie Widerspruch erwartete. Aber Isa wollte nicht widersprechen. Sie wollte mehr wissen. „Die Hoffnung? Wie kann man die Hoffnung hüten?“ Die Elfe setzte sich bequem auf einen dickeren Ast und schlug die Beine übereinander. „Meine Brüder und Schwestern sind im Winterquartier. Sie haben gesagt, es kommt immer ein neuer Frühling und jeder Winter geht vorbei. Aber sie mögen den Winter nicht. Es scheint, sie glauben selbst nicht an das, was sie erzählen.“ „Das verstehe ich nicht“, sagte das kleine Mädchen. „Na, wenn sie an den Frühling glauben würden, würden Sie sich nicht verstecken. Wir sind Holunderelfen, wir müssen der Frau Holle treu zur Seite stehen, vor allem im Winter, oder nicht?“ 

Isa leuchtete der Gedanke ein. „Ja, der Winter ist ja ihre Zeit, meinst du das?“, fragte sie. „Genau, genau so meine ich es. Da sind wir Holunderelfen und wenn es richtig ernst wird mit der Holle, laufen wir weg. Das kann doch einfach nicht sein.“ „Hmm, aber es ist sehr kalt und der Holunder hat nicht einmal mehr Laub, das dich schützen könnte“, gab Isa zu bedenken. Ärgerlich wischte die Elfe Isas Einwände mit einer Handbewegung fort. „Papperlapapp, Holunderelfen stehen zur Holle, sonst sind sie keine echten Holunderelfen.“ „Ich kann dich verstehen, aber was ist, wenn du erfrierst?“ Isa war ernsthaft besorgt um das zarte kleine Geschöpf mit der roten Nase. „Wenn ich erfriere, dann ist alles Lüge. Und das glaube ich nicht.“ Die Elfe sah sehr überzeugt aus. „Entweder gibt es Hoffnung oder es gibt keine.“ „Und, gibt es Hoffnung?“ „Solange ich hier an den neuen Frühling glaube und keine Angst habe, gibt es die Hoffnung, oder etwa nicht?“ 

Isa überlegte eine Weile. „Ja, wenn du Hoffnung hast, dann gibt es Hoffnung. Aber darfst du dich dann nicht trotzdem wärmen und das Winterquartier aufsuchen?“ Es wäre ihr deutlich lieber gewesen, die Elfe in Sicherheit zu wissen. „Ja, das darf ich. Aber erst will ich mutig sein und Hoffnung haben. Wenn ich das wirklich kann, dann gehe ich jeden Winter mit den anderen mit. Aber Hoffnung, liebe Isa, braucht Mut. Ich hüte die Hoffnung.“ Damit verschwand die Elfe aus dem Blick des Mädchens. Isa hockte noch eine Weile vor dem Holunder und betete, Frau Holle möge in diesem Jahr weniger Schnee fallen lassen. Schließlich ging sie nach Hause. Sie sollte den Satz nie vergessen: Hoffnung braucht Mut. (Copyright 2020 Stefanie Glaschke)


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  • Als Frau Zeit einmal streikte

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